„Altes Deutsch“ - „neues Deutsch“…?
Nun, meine lieben Leser, wie ihr ja mittlerweile wisst, gebe ich mich gern der englischen Sprache hin. Das soll aber nicht heißen, dass ich die deutsche Sprache nicht beherrschen würde. Ganz im Gegenteil, ich sehe mich vielmehr als eine Art „Sprachperfektionist“, der sogar in Handy-Textnachrichten die Groß- und Kleinschreibung beachtet, zwar gern in Chats und dergleichen in Umgangssprache schreibt, aber durchaus die Orthographie beachtet (statt nicht, schreibe ich nich‘; und man bemerke immer den Apostroph!) usw. ;)
Doch mit Entsetzen musste ich auf meinen diversen Bahnfahrten und nach meinen unzähligen Beobachtungen feststellen, dass ich gar kein wirkliches Deutsch kann! Und das, obwohl ich trotz sächsischer Herkunft und hessischem Wohnort stets der Meinung war, ich könne mich doch auch hochdeutsch artikulieren. Aber wie es scheint, kann man sich durchaus irren. Vielleicht spreche ich, und sicherlich auch viele von euch, einfach eine Form altes Deutsch, was allerdings wenig mit Sütterlin und dergleichen zu tun hat, sondern schlicht und ergreifend aus der Mode gekommen ist. Das „neue Deutsch“ findet mittlerweile schon Einzug in die akademische Welt und aus diesem Anlass möchte ich euch daran teilhaben lassen und euch in meinen 20 Punkten einen Einstieg ermöglichen, sodass auch ihr fortan in der Lage seid, die (jüngere) Welt um euch herum zu verstehen…
Doch da ich mich noch weiterhin in der Beobachtungsphase befinde, besteht hier kein Anspruch auf Vollständigkeit, vor allem nicht, was die Schriftsprache betrifft. Sobald ich mehr weiß, werde ich euch natürlich in mein neues Wissen einweihen…
1. „ey“ kann sowohl als satzeinleitende Partikel als auch als Satzabschluss verwendet werden: vgl. „Ey, bin da“ mit „Bin da, ey“.
Besonders häufiger Gebrauch in Anreden: „Ey, [Name], …“ oder in Verbindung mit „Alda“: „Ey, Alda, …“
2. Damit kommen wir auch schon zu „Alda“. Dies ist im „altdeutschen“ Gebrauch das Wort „Alter“, wobei das „t“ zu „d“ wird und das „er“ zu „a“ (vgl. hierzu 4.)
Vom biologischen Alter vollkommen unabhängig, dient „Alda“ vor allem als Anrede männlicher Freunde; die Verwendung findet auch bei vornehmlich männlichen Zeitgenossen statt.
3. Auf keinen Fall mit „Alda“ zu verwechseln ist „die Alte“! Damit sei keinesfalls die Großmutter in recht respektloser Weise angesprochen, sondern es handelt sich um die Beschreibung der eigenen Partnerin eines männlichen Sprechers gegenüber einem männlichen Adressaten.
4. „er“ → „a“
Prinzipiell jedes Wort im Singular, welches bisher auf „er“ endete, endet fortan lediglich auf „a“. Für den Plural siehe 5. Beispiele: „Bruda“, „Schwesta“ usw.
5. Der typisch deutsche Plural („Kind“ → „Kinder“) wird durch den englischen Plural mit einem „s“ am Ende des Wortes ersetzt bzw. ergänzt. Im weiteren Verlauf wird dieses Plural-s durch ein „z“ ersetzt. Nun erinnern wir uns zusätzlich an 4. und es entsteht „Kind“ → „Kindaz“.
6. „ch“ → „sch“
Jedes „ch“ in einem Wort wird als „sch“ gesprochen und in der Schriftsprache, die bis jetzt noch keine Erwähnung fand, auch so geschrieben. Beispiele: „ich“ → „isch“, „eigentlich“ → „eigentlisch“ usw.
7. Präpositionen werden konsequent vermieden, denn sie bedingen einen zu großen Zeitverlust. Dies trifft auf statische als auch auf dynamische Ortsangaben zu. So gelten „Isch bin Kino“ und „Isch gehe Kino“.
8. Jeder engere Freund, den man mindestens schon drei Tage kennt, wird automatisch zum „Bruda“ oder zur „Schwesta“. Dies geschieht vollkommen unabhängig von genetischen Faktoren und bei der Anzahl sind nach oben keine Grenzen gesetzt. So kann man beispielsweise 12 „Brüdaz“ haben.
9. Der Meineid ist augenscheinlich fortan nicht mehr strafbar. Demnach wird alles, was man zum Besten gibt, noch einmal mit einem „isch schwör‘“ bekräftigt, welches oftmals am Satzanfang (häufig auch in Verbindung mit dem eingangs erwähnten „ey“) verwendet wird: „Ey, isch schwör‘, isch habe [Name] gesehen.“
Doch auch die Verwendung am Satzende ist durchaus üblich und wirkt fast noch emphatischer: „Isch hab‘ [Name] gesehen, isch schwör‘!“
10. Was früher ein vor allem im Bundesland Hessen verbreitetes Phänomen war, findet nun gesamtdeutsch Anwendung: Die Eliminierung des Genitivs zu Gunsten des Dativs.
So wird aus „der Mann, dessen Hund…“ und anderen Sätzen dieser Struktur „der Mann, dem sein Hund…“ etc.
11. Ebenso verschwinden die Akkusativendungen. Zunächst geschah dies nur in der gesprochenen Sprache, bei der ja bekanntlicherweise einmal der eine oder andere Laut „verschluckt“ wird, doch dies passiert nun auch in der Schriftsprache.
„Ich habe einen Bruder“ → „Isch habe ein_ Bruda“
„Ich habe keinen Bruder“ → „Isch habe kein_ Bruda“
12. Das Wort „Bitch“ (engl. „Hündin“, umgangssprachlich auch „Schlampe“) und das Wort „Hurensohn“ können sowohl als Beschimpfung als auch als Begrüßung unter Gleichrangigen benutzt werden. Dies geschieht oft in der folgenden Verbindung: „ey“ + „du“ + „Bitch/Hurensohn“. „Bitch“ wird für weibliche, „Hurensohn“ für männliche Adressaten benutzt.
13. „Was geht’n?“
Hierauf wird keinesfalls eine Antwort oder gar die Gegenfrage „Was?“ erwartet! Vielmehr handelt es sich um eine nicht zu kommentierende beiläufige Grußformel, die wohl dem „altdeutschen“ „Hallo“ gleichzusetzen ist, und beliebig erweitert werden kann: „Was geht’n?“, „Ey, was geht’n?“, „Ey, Alda, was geht’n?“, „Ey, Bitch/Hurensohn, was geht’n?“
14. „Maaaaaaann“
Dabei handelt es sich um ein sehr betonendes Wort, welches immer dann Verwendung findet, wenn ein Sachverhalt ganz besonders unterstrichen werden muss. Besonders sind hierbei die Dehnung des „a“ und die Unabhängigkeit vom Geschlecht des Adressaten zu beachten. Beispiel: „Ey, bin da, Maaaaaaann!“
15. Das Wort „fi**en“, welches bis dato benutzt wurde, um recht vulgär den Geschlechtsakt zu beschreiben, hat mit diesem nur noch wenig zu tun. Die Benutzung ist nun gleichzusetzen mit dem wohl aus dem „Altdeutschen“ bekannten „fertigmachen“. Wenn man also sagt „Isch fi**e disch!“ dann ist das mehr ein Gewalt-/Aggressions- als ein sexueller Akt.
Äquivalente wie „Isch zerfi**e den“ und „Isch fi**e disch tot“ haben ebenfalls keine sadomasochistische Bedeutung, sondern dienen vor allem der Betonung der Ernsthaftigkeit.
16. Alle Adjektive, die einen schönen Zustand beschreiben, werden nun mit einem „-ig“ ergänzt, vermutlich soll so eine diminutivische Wirkung erzielt werden. Beispiel: „tollig“
17. Beruhigend ist es, zu wissen, dass der Sprachgebrauch kältebeschreibender englischer Adjektive weiterhin Verwendung findet. Was allerdings im „Altdeutschen“ noch „cool“ war, ist nun „chillig“. Auch in Imperativen findet diese idiomatische Redewendung Gebrauch: „Chill ma‘!“
18. In der Schriftsprache gibt es außerdem noch eine Besonderheit, wie z. B. das Ersetzen aller „g“ durch „q“, wodurch der lästige kleine Bogen eliminiert wird. Beispiel hierfür wäre das häufig anzutreffende Wort „geil“, welches zu „qeil“ wird. Doch auch hier gibt es noch eine gesonderte Ausdrucksform, die zusätzlich das „e“ in ein „a“ transformiert: „qail“.
19. Ebenfalls in der Schriftsprache ist die Verwendung möglichst vieler Sonderzeichen erstrebenswert. „s“ wird zu „$“, „a“ zu „@“ usw. Jemand, der früher einmal den Namen „Sam“ trug, wird nun zu „$@m“.
20. Zu guter Letzt kommen wir noch zu den Liebesbekundungen. Diese sind zwar auch für einen potentiellen Partner gedacht, vornehmlich aber auch für Freunde und z. B. eine „Schwesta“ geeignet. Aber Vorsicht, nie zu früh damit anfangen! Angebracht scheinen diese Bekundungen nach einer Woche mehr oder weniger intensiver Bekanntschaft. Ausdrucksformen sind „lüb‘ dich“ (beim „altdeutschen“ „lieb‘“ wird das „ie“ zu „ü“), „lübb‘ dich“ (zusätzliche Verdoppelung von „b“) oder „lüb‘ dir“ (Verwendung des Dativs anstelle des Akkusativs).
Also in diesem Sinne: „Ey, isch lübb‘ eusch alle, isch schwör‘!“ ;)
18/12/2011